Es war im Jahr 2000, als Diamond die DA40 einführte. Ich bin nicht sicher, ob damals irgendjemand daran dachte, dass dieses Muster eines Tages in modifizierter Form als ernstzunehmendes Flugzeug für den Betrieb abseits von befestigten Pisten angeboten würde. Tatsächlich hat sich das Muster als ziemlich vielseitig erwiesen, und im Laufe der Jahre wurden wesentliche Änderungen vorgenommen. Als sie herauskam, war die DA40 ausschließlich mit 180-PS-Lycoming erhältlich, aber schon zwei Jahre später brachte der Hersteller eine Version mit dem 135 PS starken TAE-125 von Thielert auf den Markt. Die DA40-TDi war damals das weltweit erste Serienflugzeug mit Dieselmotor. Die Kombination aus moderner Kunststoffzelle und wirtschaftlichem Antrieb kam bei Flugschulen in Europa gut an, obwohl die Zuverlässigkeit des Antriebs zu wünschen übrig ließ.
Dies bewog Diamond-Chef Christian Dries, in der Tochterfirma Austro Engine eigene Dieselmotoren zu entwickeln. Heute wird die Standard-DA40 in Europa mit AE300 angeboten, einem 168 PS leistenden Diesel von Austro Engine. Allerdings musste die Cowling angepasst werden, da die neue Motor-Getriebe-Kombination größer ist als die ursprüngliche Thielert-Antriebseinheit. Man zog die Frontpartie weiter nach unten und ließ sie dort in einen großen Lufteinlass übergehen – hier war die Thielert-DA40 schlanker und „clean“, optisch das wichtigste Unterscheidungsmerkmal. Die großen Reifen der Sonderversion Tundra Star passen zu dieser bulligeren Schnauze. Fast jedes Flugzeug mit Festfahrwerk, dem man solche Reifen verpasst, erhält diesen „Ich hab mehr drauf, als Ihr denkt!“-Look. Irgendwie scheint er die Maschine der freundlichen Obhut von Flugverkehrskontrolle und Lotsen zu entziehen und sie in die abenteuerliche Welt unbefestigter Buschpisten und fliegerischer Selbstverantwortung mitzunehmen.
„Ich hatte sie unter ‚Schulflugzeug für den Osten‘ abgehakt. Das war ein Fehler“
Eher karierte Hemden und Jeans als Uniformen und goldene Streifen, wenn man so will. Um die unauffällige DA40 in die Tundra Star zu verwandeln, hat Diamond einige Modifikationen durchgeführt, die in erster Linie das Fahrwerk betreffen. Die Bremsen und Räder wurden durch eloxierte Beringer-Komponenten ersetzt. Das Bugfahrwerksbein – eine Schwachstelle jedes Dreibeinfahrwerks – haben die Österreicher verstärkt und ihm mehr Federweg gegeben, damit Stöße besser weggesteckt werden. Auch das Hauptfahrwerk ist stabiler ausgeführt. Dessen Räder haben nun 56 Zentimeter Durchmesser, vorn sind es 44 Zentimeter. Okay, das reicht nicht an die Dimensionen Wasserski-tauglicher Ballonreifen ran, wie sie manche extreme Buschflugzeuge haben, aber sowohl das Bugrad als auch die Haupträder sind viel größer als in der Standard-Version.
Anstelle von Radverkleidungen gibt’s an den Haupträdern etwas, das man als Nachlauf-Keile bezeichnen könnte: Kunststoffteile, die vielleicht auch den Widerstand senken, deren hauptsächliche Funktion aber darin besteht, die Flügelunterseite zu schützen, wenn Steine und andere Fremdkörper von unbefestigtem Untergrund aufgewirbelt werden – oder von einigen Flugplatzpisten, die man so kennt. Eine DA40, die irgendwo abgestellt ist, als Tundra Star zu identifizieren fällt ziemlich leicht, sogar aus größerer Entfernung: Das geänderte Fahrwerk trägt sie höher über dem Boden als gewohnt, außerdem ragt die Nase in Sitz-und-Habachtstellung etwas nach oben. Der Rest des Flugzeugs ist weitgehend Standard-DA40. Die vordere Kabinenhaube wird also nach vorn aufgeklappt, wobei sie sich hebt, und die hinteren Sitzen sowie das Gepäckfach erreicht man von der linken Seite über eine oben angeschlagene (Flügel-)Tür.
Normalerweise gibt es vor der Tragfläche eine Trittstütze, um auf die Fläche zu gelangen, aber weil die Tundra Star vorn so hoch steht, hat der Hersteller die Stütze hinter die Fläche verlegt – hurra! Warum kann sie eigentlich nicht immer dort sein? Im Cockpit findet man die gewohnte Diamond-Konfiguration vor: feste Sitze und verstellbare Seitenruderpedale, Steuerknüppel statt -hörner (der einzige Diamond-Typ ohne Knüppel war der D-Jet), ein gemeinsamer Hebel für Motor und Propeller auf der Mittelkonsole, Glascockpit mit Garmin G1000 und optional GFC 700-Autopilot. Wie bei der DA40 NG sind 28 Gallonen Kraftstoff in zwei Flügeltanks untergebracht, auf Wunsch kann man Zusatztanks für weitere 11 Gallonen bekommen. Der Austro-Engine-Dieselmotor läuft mit Jet Fuel. Das Kraftstoffsystem unterscheidet sich insofern von den meisten Flugzeugen der Allgemeinen Luftfahrt, als der Motor vom linken Flügeltank aus versorgt wird.
Weil der AE300 eine Common-Rail-Einspritzung hat, muss der Kraftstoffdruck hoch sein, wodurch sich der Sprit erwärmt. Überschüssiges Jet Fuel wird in den rechten Flügeltank zurückgeleitet und fließt anschließend von dort in den Haupttank auf der linken Seite. Dabei kühlt sich der Kraftstoff ab, gleichzeitig erwärmt er, was sich in den Tanks befindet. Vom rechten in den linken Tank gelangt der Sprit mit Hilfe einer elektrischen Pumpe, die sich automatisch abschaltet, damit keine Flüssigkeit durch die Entlüftung über Bord geht. Sollte die Pumpe ausfallen, lässt sich die Füllmenge im rechten Tank nutzen, indem man den Tankwahlschalter auf die Emergency-Stellung dreht. Im Zusammenhang mit dem Kraftstoffsystem verweist Diamond gern auf die sicherheitsrelevanten Merkmale des Flugzeugs. Eines davon: Der Sprit schwappt nicht einfach im Composite-Flügel (wet wing), sondern in Aluminiumtanks zwischen den Holmen.
Softfield-Start: Beim Rotieren kommt das Heck dem Boden sehr nah
Bevor wir am Firmensitz in Wiener Neustadt zum Probeflug starten, gehen wir die Verfahren für unebenen und weichen Untergrund sowie für kurze Pisten durch. Tiefer Boden – wo gibt’s das hier? Was Luftfahrtregularien angeht, scheint Österreich für den Flugbetrieb abseits befestigter Pisten nicht der Nabel der Welt zu sein – sogar das Gras neben der Bahn zu nutzen geht nur, wenn man mit den Flugplatz-Managern debattiert. Doch eins nach dem andern, erst mal einsteigen und den Motor anlassen. Neu ist es zwar nicht, aber ich bin immer noch überrascht, wenn man dazu nur einen Schlüssel drehen muss (je nach Wetter kann es notwendig sein, etwas vorzuglühen). Was für eine verrückte Welt, dass uns im Jahr 2016 die Einfachheit erstaunt, einen Flugzeugmotor zu starten, indem wir lediglich einen Schlüsel drehen!
Gelenkt wird am Boden durch differenzierten Einsatz der Bremsen, und genau das mache ich, während ich versuche, den unebensten Weg zur Piste zu finden. Trotz längerer Fahrwerksbeine und des zusätzlichen Federwegs fühlt man sich beim Rollen erfreulicherweise nicht wie in einem schlingernden Boot. Auf holprigem Untergrund scheint es auch keine Neigung zum Aufschaukeln zu geben, angeregt durch Stöße aufs Fahrwerk. Richtig langweilig wird’s beim Triebwerkscheck: Power-Check-Knopf drücken und halten. Jetzt noch Klappen in Stellung eins, und es kann losgehen. Vollgas – Bremsen frei. Betriebshandbuch und mechanisches Verständnis legen nahe, den Knüppel so lange gezogen zu halten, bis das Bugrad abgehoben hat. Ehrlich gesagt: Die Beschleunigung ist nicht so gewaltig, dass man sich anschließend zur Nackenmassage anmeldet, um ein Schleudertrauma zu kurieren. Sanft nimmt die Maschine Fahrt auf, und wenn das Bugrad abhebt, lässt man den Knüppel etwas nach, damit sie nicht überrotiert.
Zunächst überrascht mich die Startrollstrecke etwas; sie ist länger als erwartet. Doch dann wird mir bewusst, dass ich von rauem Untergrund und großen Reifen auf STOL-Eigenschaften schließe, was ja zunächst mal nichts miteinander zu tun hat. Diamond nennt eine Startrollstrecke von 340 Metern, wobei hier die Bahnbeschaffenheit zu berücksichtigen ist. Beim Flugverhalten gibt’s keinen Unterschied zwischen Tundra Star und DA40 NG – da gilt für beide Versionen: tadellos. Wesentlichen Anteil daran hat der Flügel, der einer der besten ist, den die Industrie zu bieten hat. Er macht die Maschine gutmütig und wendig, obwohl die Spannweite größer ist als bei vergleichbaren Flugzeugen. Ein paar Zahlen: Bei Vollgas beträgt die Steigrate knapp 700 Fuß pro Minute und der Verbrauch 34 Liter pro Stunde.
Fliegt man mit maximaler Dauerleistung (92 Prozent, 2100 rpm), geht der Verbrauch auf zirka 30 Liter zurück, wobei die Tundra Star in den unteren Höhenbereichen mit rund 125 Knoten IAS unterwegs ist. Wirtschaftlicher geht’s weiter oben: Dank Turbomotor steht die volle Leistung bis 14 000 Fuß zur Verfügung – wo die Insassen allerdings Sauerstoff benötigen. In dieser Höhe ist die Speed bei 60 Prozent Power praktisch identisch mit jener der DA40 NG: 124 Knoten TAS (statt 125).
Für jede Piste: Mit Bigfoot-Unterbau kann die Tundra Star auch auf tiefem Boden betrieben werden
Dabei soll der AE300 pro Stunde weniger als 20 Liter Jet Fuel schlucken. Realistischer sind im Alltagsbetrieb Geschwindigkeiten um 100 Knoten, ein Verbrauch von 22 Litern und komfortable fünf Stunden Endurance plus großzügige Reserve. Was uns an diesem Flugzeug aber mehr interessiert, ist alles, was sich bei Bodenkontakt abspielt. Meine erste Landung ist zu schnell – trotz voll gesetzter Klappen habe ich keine Chance, mit den 270 Metern Rollstrecke aus dem Handbuch auszukommen. Bei der zweiten Landung lege ich mir einen besseren Plan zurecht: Im Anflug nehme ich die Fahrt weiter zurück, die Nase höher und lasse etwas mehr Gas stehen.
Als wir irgendwelche Taxiway-Markierungen überfliegen, reduziere ich die Geschwindigkeit noch weiter und bekomme gleich zu spüren, dass abnehmende Speed auf dramatische Weise die Sinkrate beeinflusst. Aber wollten wir das verstärkte Fahrwerk nicht ordentlich testen? Zurück in die Platzrunde und noch ein paar Landungen. Die Tundra Star fliegt sich unkompliziert, doch wie bei jedem Muster braucht man Übung, um bei Start und Landung die Rollstrecken zu minimieren. Als ich die Tundra Star auf der AERO 2011 zum ersten Mal sah, erzählten die Diamond-Leute jedem, die Maschine sei für den Ausbildungsbetrieb in Russland entwickelt worden, wo schlechte Pisten normal seien und die Robustheit dieser DA40-Version hoch geschätzt werde. Seit damals habe ich nirgendwo eine Tundra Star gesehen, außer an einem Diamond-Messestand oder auf der Abstellfläche des Werksgeländes in Wiener Neustadt – und um ehrlich zu sein: Ich hatte sie unter „Schulflugzeug für den Osten“ abgehakt.
Das war ein Fehler. Es mag bei uns keine riesige Anzahl sehr schlechter Pisten geben, aber doch etliche, die besser sein könnten. Gerade jetzt im Winter bewegt sich der Zustand vieler Grasplätze irgendwo zwischen aufgeweicht und nass, unbrauchbar für alles, was kleine Räder hat – oder sollte ich sagen: normale Räder? Die DA40 Tundra Star kommt mit solchen Verhältnissen spielend klar. Mit den großen Rädern verrichtet sie munter ihren Dienst, während Flugzeuge mit normaler Bereifung im Hangar bleiben, weil zu befürchten ist, dass Start und Landung ins Desaster führen oder die Piste beschädigt wird.
Auch unter normalen Bedingungen wird man mit der Bigfoot-DA40 über miese Landungen viel öfter lachen können – die steckt das verstärkte Fahrwerk sowieso besser weg. Neben den niedrigen direkten Betriebskosten des Diesel-Fliegers dürfte seine Robustheit der große Pluspunkt im Schulbetrieb sein. Erkauft wird die Tundra-Tauglichkeit durch ein Mehrgewicht von zirka zehn Kilo, wobei die Leermasse am Ende auch von der Ausstattung abhängt. Den Spaß verdirbt das nicht – vor allem im Schulbetrieb, wenn andere Flugzeuge, die am Boden bleiben müssen, bloß die Fixkosten erhöhen.
Text: Ian Seager; Fotos: Ed Hicks; fliegermagazin 2/2016
Technische Daten
Diamond DA40 Tundra Star
- Diamond Aircraft Industries GmbH, N. A. Otto-Straße 5, A-2700 Wiener Neustadt, Telefon: 0043-2622-267 00 www.diamond-air.at
- 11,63 m
- 13,24 qm
- 8,06 m
- 1,97 m
- 910 kg
- 1310 kg
- 106 l, optional 147 l
- Austro Engine AE300/168 PS
- MT, 3-Blatt, Composite, constant speed, 1,90 m
- 340 m
- 270 m
- 670 ft/min
- 180 Grad/sec
- 893 NM (mit 147-Liter-Tanks)
- Uns hat Diamond den Preis nicht verraten – vielleicht haben Sie mehr Glück!
Schlagwörter
- Echo-Klasse
- Dreibeinfahrwerk
- Tundra Star
- Serienflugzeug
- TAE-125
- DA40-TDi
- DA40 Tundra Star
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